Um was ging es? Das Milgram Experiment wurde erstmals 1961 in New Haven von dem amerikanischen Psychologen Stanley Milgram durchgeführt. Milgram wollte untersuchen, ob der blinde Gehorsam der Deutschen im Nationalsozialismus sozialpsychologisch erklärt werden könne. In seinem Experiment sollten die Probanden einem Schüler Fragen stellen und diesen bei falschen Antworten mit Elektroschocks bestrafen. Dabei wurde die Testperson von einem Versuchsleiter, der Autoritätsperson, überwacht. Außer den Probanden waren alle Teilnehmer (Schüler und Versuchsleiter) Schauspieler und über das Experiment informiert.
Aufbau des Experiments: Zu Beginn des Experiments wurde den Teilnehmern erzählt, dass der Zusammenhang von einem Lernerfolg durch Bestrafung getestet wird. Hierfür wurden die Rollen der Probanden verlost, wobei jedoch von vornherein klar war, dass der Schauspieler zum Schüler bestimmt wird und die unwissende Testperson zum Lehrer. Die Person des Schülers wurde sorgfältig ausgewählt, da die Testpersonen nicht bereits im Vorfeld eine Abneigung gegen den Schüler entwickeln sollten. Auch der Darsteller des Versuchsleiters wurde sorgfältig ausgewählt, so dass er sachlich und bestimmt, aber dennoch freundlich auf die Testperson wirken sollte.
Das Experiment wurde in verschiedenen Versionen durchgeführt. In der klassischen Variante sah der Versuchsaufbau folgendermaßen aus:
Vor dem Start des Experiments wurde der unwissenden Testperson ein elektrischer Schlag mit 45 Volt verabreicht, damit sie die Stärke und Folgen eines elektrischen Schlages einschätzen konnten. Zudem wurde den Probanden der Aufbau im Nebenraum gezeigt, in welchem der Schüler während des Experiments in einer Art elektrischem Stuhl fixiert wurde. Danach befand sich die Testperson (L) im selben Raum wie der Versuchsleiter (V) und gab dem Schüler (S) über ein Mikrofon verschiedene Wortpaare durch. Dieser sollte den Fehler in der Zusammensetzung der Wortpaare angeben. Antwortete der Schüler falsch, sollte die Testperson einen elektrischen Schlag auslösen, welcher sich nach jeder falschen Antwort weiter steigerte. Sowohl der Schüler, als auch der Versuchsleiter handelten während des Experiments nach einem vorgegebenen Schema.
Schema des Schülers:
- 75 Volt: ein lautes Grunzen
- 120 Volt: Schmerzensschreie
- 150 Volt: Er möchte nicht mehr am Experiment teilnehmen und verlangt das Öffnen der Fixierung
- 200 Volt: Extrem laute Schreie
- 300 Volt: Er weigert sich zu antworten
- 330 Volt: Stille
Schema des Versuchsleiters:
Falls eine Testperson Zweifel hatte, ob sie mit den Stromschlägen weitermachen sollte, forderte der Versuchsleiter die Fortführung des Experiments mit bestimmten Sätzen:
- „Bitte, fahren Sie fort!“
- „Das Experiment erfordert, dass Sie weitermachen!“
- „Sie müssen unbedingt weitermachen!“
- „Sie haben keine Wahl, Sie müssen weitermachen!“
- „Auch wenn die Elektroschocks schmerzhaft sind, das Gewebe wird keine dauerhaften Schäden davontragen, also machen Sie bitte weiter!“
- „Ob es dem Schüler gefällt oder nicht, Sie müssen weitermachen bis er alle Wörterpaare korrekt gelernt hat. Also machen Sie bitte weiter!“
Auf Nachfrage bezüglich der Verantwortung garantierte der Versuchsleiter, dass er die volle Verantwortung aller Geschehnisse übernahm.
Ergebnis: Von den 40 Testpersonen vollendeten 26 Personen das Experiment mit dem Höchstwert 450 Volt (gekennzeichnet als “extrem gefährlich”). Daraus lässt sich schließen, dass 65 Prozent der Testpersonen der Anweisung des Versuchsleiters gefolgt sind, obwohl sie sich der Auswirkungen (möglicher Tod der Versuchsperson) bewusst waren und oftmals im Konflikt mit ihrem Gewissen handelten. Von den 14 Personen, welche das Experiment vorzeitig beendeten, stoppte niemand bei Stromstärken, die niedriger als 300 Volt waren. Das Milgram-Experiment wurde in verschiedenen Variationen weiter durchgeführt, unter anderem in verschiedenen Kulturen und mit weiblichen Probandinnen, doch weder das Geschlecht noch die Kulturkreise änderten etwas an dem Ergebnis. Das Ergebnis deutet darauf hin, dass fast alle Menschen unter bestimmten Bedingungen bereit sind, einer Autorität und nicht dem eigenen Gewissen zu folgen. Das Milgram-Experiment dient auch heute noch zur Erklärung und Diskussion der Frage, weshalb Menschen z. B. Kriegsverbrechen begehen.
Literatur
Das Milgram-Experiment (2013): Das Milgram-Experiment. Ablauf. Kurze Darstellung des Experimentes. Zugriff am 25.02.2017.
Milgram, Stanley (1982): Das Milgram-Experiment. Zur Gehorsamsbereitschaft gegenüber Autorität. Reinbek: Rowohlt.
Weiterführendes Video:
Youtube (2016): The Milgram Experiment 1962 Full Documentary (The Pennsylvania State University). Zugriff am 04.03.2017.