Systematische Beobachtung | Nicht-systematische Beboachtung | Beobachtungsinstrument | Kategorienbildung | Kategoriendefinition | Typen von Kategorien | Literatur
Zu unterscheiden ist bei der Beobachtung, bevor man ein Instrument entwickelt, ob die Methode systematische oder nicht-systematisch angewandt werden soll. Die Differenzierung wird im Folgenden erklärt.
Erfolgt anhand eines Kategoriensystems mit festen Kategorien und Anweisungen. Die Kategorien werden dabei nach Verhaltenseinheiten gewählt, welche in der Theorie als angemessen anzusehen sind. Bei der systematischen Beobachtung ist im Gegensatz zur nicht-systematischen die Protokollierung der Beobachtung leichter.
Bei der systematischen Beobachtung wird von Beginn an ein fixer Kategorienkatalog erarbeitet, der möglichst alle zu erwartenden Situationen, Verhaltensweisen und Umständen bezüglich des jeweiligen Beobachtungsobjektes umfasst. Das heißt, im Vorfeld werden bereits alle möglichen Verläufe und Gegebenheiten gedanklich durchgespielt, die im Laufe der Beobachtung eintreten könnten. Das macht die Protokollierung und ebenso die Auswertung am Ende deutlich einfacher. Bei der Begleitung des Redakteurs in einer Hörfunkredaktion, wird vorher zunächst ein auf seine Person und seine Tätigkeiten maßgeschneiderter Kategorienkatalog passend zu der Forschungsfrage erstellt. Folgende Fragen bedürfen einer Beantwortung: Was kann in dem Arbeitsalltag des Hörfunk-Redakteurs passieren? Mit wem arbeitet er zusammen? Wie interagiert er innerhalb der Redaktion / wie außerhalb der Redaktion? Wie reagiert er auf Kritik? Geht er locker damit um und macht seine Arbeit weiter, oder ist er sofort wütend und macht seine Arbeit nur noch lustlos? Diese beiden Extreme werden noch weiter abgestuft. Nicht jeder ist entweder extrem sauer oder extrem gelassen, wenn er Kritik einstecken muss. Es gibt viele Abstufungen dazwischen. Die Abstufungen werden deshalb im Vorfeld bereits alle festgesetzt.
Nicht-systematische Beobachtung
Hier gibt es im Vorfeld kein fixes Kategoriensystem. Dennoch wird sich auch hier im Vorfeld über mögliche Kategorien Gedanken gemacht, welche anhand eines lockeren Kategoriensystems festgehalten werden. Diese lockeren Kategorien sind allerdings flexibel und können sich während des Beobachtungsprozesses jederzeit ändern. Die Flexibilität des Kategoriensystems macht die Protokollierung der Beobachtung entsprechend komplexer.
Auch bei der nicht-systematischen Beobachtung muss man sich im Vorfeld Gedanken darüber machen, was dem Redakteur in seinem Alltag passieren könnte, was und wobei ich ihn genau beobachten möchte und was womöglich seine alltäglichen Aufgaben sind. Jedoch ist man hier deutlich flexibler und hat in einigen Fällen noch keine festen Ausprägungen für die jeweiligen Antworten. Das vorher locker überlegte Kategoriensystem verändert sich ständig. Vorher nicht bedachte Vorkommnisse und Gegebenheiten werden mit aufgegriffen und in die Beobachtung mit einbezogen. Zum Beispiel wenn der zu beobachtende Redakteur plötzlich Aufgaben übernehmen muss, die er sonst nicht übernimmt, wird das auch mit in die Beobachtung einbezogen. Vorausgesetzt, es ist für die Beobachtung von Belangen. Das macht die Protokollierung und letztendlich auch die Auswertung deutlich schwieriger.
Das Beobachtunginstrument entspricht quasi dem Codebuch einer Inhaltsanalyse. Es besteht also auch aus den folgenden drei Teilen:
Definitorischer Rahmen: Im definitorischen Rahmen werden Forschungsziele, Hypothesen, zentrale Begriffe und Einheiten der Beobachtung definiert. Außerdem werden Beobachtungsregeln aufgestellt.
Kategoriensystem: Im Kategoriensystem werden, wie der Name schon sagt, Kategorien definiert. Hier gibt es zwei Arten von Kategorien: formale Kategorien (z. B. Zeitpunkt, Ort der Beobachtung) und inhaltliche Kategorien (z. B. eingeschalteter Radiosender pro Zeitintervall).
Das Beobachtungsprotokoll unterscheidet sich dahingehend vom Beobachtungsinstrument, dass es den tatsächlichen Ablauf der Beobachtung festhält. Bei standardisierten Beobachtungen können hier die Codes für die Handlungen in den Kategorien eingetragen werden. Bei nicht standardisierten Kategorien kann mitprotokolliert werden. Dabei ist wichtig, dass das Beobachtungsprotokoll die Handlungen des Beobachteten immer im zeitlichen Verhältnis festhält. Das freie Beobachtungsprotokoll wird bei der weniger oder unstrukturierten Befragung eingesetzt.
Kategorien bilden das Herzstück jeder klassischen Beobachtung und entsprechen dem Kategoriensystem der quantitativen Inhaltsanalyse. Es gibt zwei verschiedene Möglichkeiten der Kategorienbildung.
Die theoretische Kategorienbildung und die empiriegeleitete Kategorienbildung (nicht immer einfach zu realisieren). Empirie = auf Erfahrung beruhend.
In beiden Fällen, also sowohl bei der theoretischen als auch bei der empiriegeleiteten Kategorienbildung, werden „echte Situationen“ benötigt, anhand derer das Kategoriensystem verfeinert und ergänzt wird und die Beobachter geschult werden.
Die Kategoriendefinition ähnelt dem, was man von der Inhaltsanalyse kennt. Es sind ausführlichere Erklärungen notwendig, da sichergestellt werden muss, dass die Handlungen, die protokolliert werden sollen in der Kategorie eindeutig beschrieben und für alle verständlich sind. Denn ein einheitliches Verständnis vom Untersuchungsgegenstand muss entwickelt werden.
Zu der Kategoriendefinition gehört auch ein Schlüsselplan mit allen Ausprägungen und den Codes, diese werden auf dem Beobachtungsbogen protokolliert. Dabei muss beachtet werden, dass nicht nur die Kategorien, sondern auch die Anzahl der Ausprägungen beschränkt werden.
Grundsätzlich verwendet man zwei Typen von Kategorien. Formale und inhaltliche Kategorien
Formale Kategorien: Lassen sich leichter codieren, da es sich in der Regel um weniger komplexe Sachverhalte handelt. Als Beispiel wäre hier die Beobachtung einer einzelnen Fernsehhandlung eines Zuschauer (oder auch: Soziodemografie) zu nennen.
Inhaltliche Kategorien: Bei inhaltlichen Kategorien können wir zwischen klassifizierenden Kategorien (z. B. Thema) und Bewertungskategorien (z. B. Tendenz) differenzieren. Als Beispiel ist hier der Typ der Fernsehhandlung und die Mimik und Gestik des Zuschauers zu nennen.
Schnell et al. (1999) unterscheiden drei Arten von Kategorien bei der Beobachtung, diese können kombiniert werden:
1. Zeichensysteme
Alle Ausprägungen einer Kategorie sind auf dem Beobachtungsbogen gelistet. Der Beobachter muss nur ankreuzen was während der Beobachtung passiert.
Beispiel: Geschlecht des Beobachteten
Männlich |
Weiblich |
2. Kategoriensysteme
Das, was bislang vorgestellt wurde. Die Schwierigkeit für den Beobachter besteht darin, das Prozessuale protokollieren zu können.
Beispiel: Rechercheart in der Redaktion
1601 | vor Ort |
1602 | am Telefon |
1603 | im Archiv vor Ort |
1604 | im Online-Archiv |
1605 | im Web |
1606 | in der Bibliothek |
3. Schätzskalen/Ratingverfahren
Der Beobachter soll ein Verhalten auf einer Skala beurteilen. Dabei ist die Reliabilität kritisch zu sehen. Die Protokollierung hängt zu sehr von der subjektiven Einschätzung des Beobachters ab.
Beispiel: Arbeitsbelastung pro abgeschlossenem Arbeitsvorgang (vgl. Altmeppen 1999)
1601 | Sehr hohe Konzentration auf Tätigkeit, kaum/keine Wahrnehmung der Umwelt |
1602 | Hohe Konzentration auf Tätigkeit, hohe Wahrnehmung der Umwelt |
1603 | Geringe Konzentration auf Tätigkeit, hohe Wahrnehmung der Umwelt |
1604 | Sehr geringe Konzentration auf Tätigkeit, sehr hohe Wahrnehmung der Umwelt |
Beispiel: Zeitliche Flexibilität pro Arbeitsvorgang (vgl. Altmeppen 1999)
1701 | Sehr hohe zeitliche Flexibilität |
1702 | Hohe zeitliche Flexibilität |
1703 | Geringe zeitliche Flexibilität |
1704 | Sehr geringe zeitliche Flexibilität |
Beispiele für komplette Kategoriensysteme für Beobachtungen in der Kommunikationswissenschaft mit den verschiedenen Typen an Kategorien finden sich in den Studien von Altmeppen (1999), Meier (2002) und Quandt (2005).
Altmeppen, Klaus-Dieter (1999): Redaktionen als Koordinationszentren : Beobachtungen journalistischen Handelns. Opladen: Westdeutscher Verlag.
Meier, Klaus (2002): Ressort, Sparte, Team. Wahrnehmungsstrukturen und Redaktionsorganisation im Zeitungsjournalismus. Konstanz : UVK-Verl.-Ges.
Quandt, Thorsten (2005): Journalisten im Netz. Eine Untersuchung journalistischen Handelns in Online-Redaktionen. Wiesbaden: Springer VS.
Scheufele, Bertram/Engelmann, Ines (2009): Empirische Kommunikationsforschung. Konstanz: UVK-Verl.-Ges.
Schnell, Rainer/Hill, Paul B./Esser, Elke (1999): Methoden der empirischen Sozialforschung. 6., völlig überarbeitete und erweiterte Auflage. München: Oldenbourg.