Formen der Befragung
Die quantitative Befragung geht nach den Regeln der deduktiven Forschung vor; das bedeutet, sie ist eine Möglichkeit der Theorieüberprüfung. Kennzeichen sind standardisiertes, präzises Vorgehen und die Orientierung an Repräsentativität.
Zur quantitativen Befragung gibt es verschiedene Vorgehensweisen; grob lassen sie sich in mündliche und schriftliche Befragung einteilen, die verschieden durchgeführt werden können. Im Folgenden werden verschiedene Varianten vorgestellt: Face-to-Face-Interviews, Telefonische Interviews, Schriftliche Befragung, Online-Befragung
Face-to-Face-Interviews
Bei einem persönlichen Face-to-Face-Interview gibt es viele Möglichkeiten dieses zu führen:
Standardisierte Interviews, Leitfaden-Interviews oder auch eine vollkommen unstrukturierte Befragung ist möglich. Das bedeutet für alle Arten der Befragung bedarf es qualifizierter Mitarbeiter und eines relativ hohen Zeitaufwand. Denn man muss bedenken, dass persönliche Interviews einer recht langen Vorbereitungszeit bedürfen: Adressen müssen herausgefunden und Termine mit den ausgewählten Personen vereinbart werden. Dieses Art der Befragung hat jedoch, gerade wegen des großen Vorbereitungsaufwands einen Vorteil: Eine meist hohe Ausschöpfungsquote. Bei einem Face-to-Face Interview hat man nämlich im Vergleich zu anderen Befragungsmöglichkeiten, eine geringe Verweigerungs- und Abbruchquote. Das bedeutet, dass die Qualität der Stichprobe hoch ist und somit auch die Repräsentativität steigt. Auch die Rücklaufquote ist bei einem Face-to-Face- Interview wesentlich höher als bei schriftlichen, telefonischen und vor allem online Befragungen (40-70%) Allgemein ist die Ausschöpfungsquote zwar seit Jahren rückläufig, bleiben bei Face-to-Face-Interviews aber am stabilsten (vgl. Brosius et al. 2012: 108f.).
Telefonische Interviews
Diese Methode hat sich vor allem bei professionellen Befragungsinstituten als gängige Methode durchgesetzt (vgl. Brosius et al. 2012: 109f). Telefonumfragen eignen sich besonders dann, wenn in einer sehr geringen Zeit beispielsweise Trends in der Bevölkerungsmeinung erforscht werden sollen. Ohne Computerunterstützung, hätte das Telefoninterview allerdings nicht den Stellenwert erhalten, den es heute hat. Bei dieser Art der Befragung spielt die Qualifikation des Interviewers eine Entscheidende Rolle. Im Vergleich zu einem Face-to-Face-Interview, kann bei einem Telefoninterview nur mit einer viel geringeren Anzahl an Hilfsmitteln gearbeitet werden. Hier fehlen Dinge, die dem Befragten zum Beispiel vorgelegt werden können, um sich besser zu erinnern. Die Folge: Die Ergebnisse leiden darunter, denn sämtliche Formen visueller Hilfsmittel sind nicht einsetzbar. Dazu kommt, dass die Abbruchquote bei einer Telefonumfrage viel höher ist, als bei einem Face-to-Face-Interview.
Deshalb wird, je detaillierter und schwieriger das Befragungsthema ist, eher auf das Telefoninterview verzichtet, weil die Gefahr der Überforderung besteht. Hinzu kommt, dass inzwischen ein großer Teil der Bevölkerung auf einen Festnetz Anschluss verzichtet und somit nur über das Mobiltelefon erreichbar ist. Zwar existieren Ansätze, wie man sowohl Nutzern von Festnetzanschlüssen als auch Mobiltelefonnutzer, in die Befragung mit einbezieht, allerdings bringt eine Befragung am Mobiltelefon, wieder Einschränkungen hinsichtlich etwa der Dauer der Interviews mit sich.
Schriftliche Befragung
Die schriftliche Befragung per Postweg ist es nicht mehr möglich, den Verlauf nach dem Versenden der Fragebögen zu kontrollieren. Das führt zu zwei Problemen (vgl. Brosius et al. 2012: 110f.). Zum einen leidet die Befragung durch versandte Fragebögen unter einer geringen Rücklaufquote, das bedeutet, dass nur eine geringe Anzahl der Fragebögen ausgefüllt zum Forscher zurückkehrt. Dadurch wird die Repräsentativität der Erhebung verringert. Die fehlende Motivation der Befragten wird oft dadurch erklärt, dass der soziale Kontakt fehlt.
Zum anderen ist die Situation bei der der Fragebogen ausgefüllt wird völlig unklar. Da sich die Situation in der sich die Befragten befinden völlig unterscheiden kann, also von großem Stress bis zur völligen Entspanntheit reichen kann. Letztlich kann sich der Forscher nicht einmal über den Befragten sicher sein. Er kann nicht klar nachvollziehen, wer seinen Fragebogen ausgefüllt hat.
Höhere Rücklaufquoten können durch das Versprechen eines Zusatzwertes erreicht werden. Koppelt man die Befragung beispielsweise an die Teilnahme eines Gewinnspiels, sind mehr Befragte bereit den Bogen zurückzusenden.
Auch können bekannte Forschungsinstitute zu einer höheren Teilnahme führen. Sie profitieren von der Bekanntheit des Instituts und der Seriosität dessen. Diesen Effekt nennt man Seriostitätsbonus. Durch zusätzliche Maßnahmen die auf die Befragung hinweisen, wie beispielsweise eine Ankündigung per Telefon kann die Teilnehmerquote weiter erhöht werden.
Die oben genannten Probleme und deren Lösungsmöglichkeiten sorgen dafür, dass der scheinbare Vorteil der geringeren Kosten einer schriftlichen Befragung meist nicht zur Geltung kommt.
Online-Befragung
Die Online-Befragung steht vor mehreren Problemen. Zum einen ist es nach wie vor schwierig allgemeine Bevölkerungsbefragungen online durchzuführen, da um die 20 Prozent der Deutschen das Internet nach wie vor nicht, oder kaum nutzt, und damit mit einer Onlinebefragung nicht zu erreichen ist (vgl. Brosius et al. 2012: 112,114ff).
Die Befragung im Internet teilt sich in zwei Gruppen (vgl. Brosius et al. 2012: 112,114ff). So können die Fragebögen per E-Mail versendet werden, oder auf einen Server eingebettet werden. Für beide Formen spricht, dass sie kostengünstig realisiert werden können und einen großen Teil der Bevölkerung erreichen können. Auch können Multimediale Inhalte präsentiert und Teil der Befragung werden. Zudem ist es Online möglich die Fragen für jeden Nutzer neu anzuordnen, was den Primacy/Recency-Effekt verringert.
Allerdings leiden Onlinebefragungen generell unter geringen oder unklaren Rücklaufquoten, wenn etwa ein Link zum Fragebogen über soziale Netzwerke verbreitet wird. In so einem Fall kann keine Aussage getroffen werden, wie viele Personen den Link zwar wahrgenommen, aber sich gegen eine Teilnahme entschieden haben. Auch können Fehler bei der Präsentation oben genannter, multimedialer Inhalte geschehen. Sollte beispielsweise der Browser eines Befragten nicht dem Stand des Forschers entsprechen, kann es zu Fehlern bei der Darstellung kommen. Auch ist unklar in welcher Situation der Befragte diese Inhalte ansieht und ob er dabei Beispielsweise auf Audioelemente verzichtet.
Des Weiteren leidet die Repräsentativität der Onlinebefragung unter fehlender Kontrolle. Es ist für den Forscher nicht nachzuvollziehen wer den Fragebogen ausfüllt, oder ob die angegebenen Merkmale der Wahrheit entsprechen.
Für das Versenden der Fragebögen per Mail müssen die Adressen der Grundgesamtheit dem Forscher bekannt sein. Das kann in machen Situation der Fall sein, beispielsweise bei Studierenden einer Universität, häufig ist eine solche Liste allerdings nicht vorhanden, oder der Forscher erhält keinen Zugriff darauf.
Da über die Onlinebefragung große Personengruppen kostengünstig und lokal Unabhängig erreicht werden können, erfreut sich diese Form der schriftlichen Befragung wachsender Popularität. Dennoch sollten Vor- und Nachteile gegeneinander abgewogen werden.
Probleme der Befragung
Egal, wie man eine Befragung durchführt, Instrument und Methode sind immer mit Problemen behaftet. Sei es das Verhalten des Interviewers oder die Fragenreihenfolge, es gibt einiges, was eine Befragung und deren Ergebnisse beeinflussen kann. Im Folgenden werden diese Probleme erläutert und Tipps zur Vermeidung vorgestellt. Bei Befragungen können im Allgemeinen diese problematischen Effkte auftreten: Kontrasteffekte, Konsistenzeffekte, Ausstrahlungseffekte, Soziale Erwünschtheit, Tendenz zur Mitte, Zustimmungstendenz, Non-Opinions, Reaktivität, Primacy- und Recency-Effekt
Kontrasteffekte entstehen, wenn Fragen so formuliert sind, dass der Interviewte das Gefühl hat, sie gegensätzlich beantworten zu müssen. Wären die Fragen anders gestellt bzw. anders innerhalb des Fragebogens angeordnet, würde der Interviewte sie wahrscheinlich nicht gegensätzlich beantworten.
Konsistenzeffekte sind das Gegenteil der Kontrasteffekte: Der Befragte glaubt, dass die Fragen innerhalb des Fragebogens in Zusammenhang miteinander stehen und bemüht sich, sie konsistent zu beantworten.
Hörbeispiel Kontrast- und Konsistenzeffekte:
Ein weiteres Problem sind die Ausstrahlungseffekte, die einzelne Fragen untereinander auslösen können. Eine am Anfang gestellte Frage kann sich sowohl emotional/affektiv als auch inhaltlich/kognitiv auf die nachfolgenden Fragen auswirken.
Hörbeispiel Ausstrahlungseffekte:
Generell tauchen die Ausstrahlungseffekte eher in Fragebögen als Problem auf; in Leitfadeninterviews sind sie im Sinne einer flüssigen Gesprächsführung sogar mehr oder weniger erwünscht. Verhindern lassen sie sich durch das trennen von affektiv/kognitiv eher verbundenen Fragen.
Soziale Erwünschtheit spielt in Befragungen auch eine Rolle: Antworten, die der Befragte eher für moralisch verwerflich oder als den gesellschaftlichen Normen und Werten unangemessen ansieht, werden verschwiegen bzw. verfälscht.
Hörbeispiel Soziale Erwünschtheit:
Eine Lösung für dieses Problem sind vorsichtige Frageformulierungen oder Projektionsfragen (= der Befragte soll das Verhalten von Personen seines Bekanntenkreises beschreiben)
Die „Tendenz zur Mitte“ beschreibt das Problem, dass Befragte dazu neigen, gemäßigte Einschätzungen abzugeben. Extreme Meinungen und die Eckpunkte einer Skala werden eher gemieden.
Hörbeispiel Tendenz zur Mitte:
Eine weitere mögliche Antworttendenz ist die sogenannte Zustimmungstendenz. Ein Teil der Befragten neigt dazu, einfach allen Fragen des Interviewers zuzustimmen, aus unterschiedlichen Gründen: unter anderem aufgrund verinnerlichter Verhaltensweisen, der eigenen Persönlichkeit oder Zeitmangels.
Hörbeispiel Zustimmungstendenz:
Diesen Effekt kann der Interviewer verringern oder aufdecken, indem er jeweils gegensätzliche bzw. kontrafaktische Fragen stellt.
Non-Opinions sind Antworten, die Befragte geben, obwohl sie zu der Frage keine Meinung haben bzw. nicht einmal genau wissen, worum es bei der Frage eigentlich geht.
Hörbeispiel Non-Opinions:
Um dieses Problem zu lösen, kann der Interviewer Fragen noch verständlicher formulieren oder zuerst nachhaken, ob der Befragte mit dem Thema aus der Fragestellung überhaupt vertraut ist.
Der Befragte weiß natürlich immer, dass er sich in einer Befragungssituation befindet. Gerade dieses Bewusstsein kann aber zum Problem der Reaktivität führen; er antwortet nicht mehr so, wie er es in einer alltäglichen Gesprächssitutation tun würde.
Hörbeispiel Reaktivität:
Primacy- und Recency-Effekte sind Antwortverzerrungen, die mit der Reihenfolge der Antwortmöglichkeiten zusammenhängen. Der Befragte entscheidet sich eher für die jeweils erstgenannten (Primacyeffekt) bzw. letztgenannten (Recencyeffekt) Antwortmöglichkeiten als für Optionen dazwischen, weil diese ihm am besten im Gedächtnis bleiben.
Hörbeispiel Primacy- und Recencyeffekte:
Literatur
Brosius, Hans-Bernd/Haas, Alexander/Koschel, Friederike (2012): Methoden der empirischen Kommunikationsforschung. Eine Einführung. 6., erweiterte und aktualisierte Auflage. Wiesbaden: Springer VS.