FC Lindenberg 1907

FC Lindenberg 1907

  • Von einer Stufe mit dem Bürgermeister zum Dorfdepp
  • Mehr als ein halbes Leben geben — für die Kinder
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Egal ob als Train­er oder in Ver­wal­tungsauf­gaben — Es gibt immer weniger Ehre­namtliche in Sportvere­inen. Woran liegt das.

Er wurde von Arbeit­skol­le­gen aus­gelacht, Spon­soren nah­men ihn nicht ernst und ver­di­ent hat er auch nie etwas. Tobias Krauss (39) war bis Anfang des Jahres Vor­standsvor­sitzen­der des Fußball­clubs Lin­den­berg (FCL). Er hat den Auf­stieg in die Bezirk­sli­ga, aber auch den Wieder­ab­stieg im darauf­fol­gen­den Jahr miter­lebt. Doch jet­zt war für ihn nach zehn Jahren endgültig Schluss. „Ich bin seit fast 30 Jahren im Vere­in und seit über zehn Jahren ehre­namtlich in ver­schieden­sten Ämtern. Jet­zt brauch ich mal ein paar Jahre Ruhe“, sagt er.

Dass es zu viel ist, hat­te er let­zten Som­mer gemerkt, als seine Tochter zu ihm sagte: „Papa, ich kenn dich nur als Vor­stand vom FCL.“ Ein Satz, der Krauss zeigte, dass er sich in Zukun­ft mehr um die Fam­i­lie und weniger um Dinge wie Finanzen, Mit­glied­santräge und Spon­soren küm­mern will. „Als Vor­stand hast du die gle­ichen Auf­gaben wie ein Geschäfts­führer, nur mit dem Unter­schied, dass du nicht bezahlt wirst.“ Auch der Respekt und die Anerken­nung sei nicht mehr so wie noch vor ein paar Jahren. „Früher stand der Vor­stand­vor­sitzende auf ein­er Stufe mit dem Bürg­er­meis­ter. Heut lachen die Leute nur noch darüber, dass man so ein Amt über­haupt macht.“

Als Nach­fol­ger von Tobias Krauss hat Johannes Dotschkail (33) den Posten des Vor­standsvor­sitzen­den über­nom­men. Mit dem großen Ziel: Jugend­förderung. Dafür sucht er seit einem hal­ben Jahr nach einem geeigneten Train­er für die A‑Jugend, also der let­zten Stufe vor dem Her­ren­bere­ich — Bis jet­zt verge­blich. „Es ist echt schwierig, jeman­den mit Vor­erfahrung zu find­en, der das Ganze dann auch noch ehre­namtlich macht“, sagt er. Das Prob­lem, Train­er zu find­en und die guten zu hal­ten, zieht sich aber durch die gesamte Jugend. Mit der Kon­se­quenz, dass der FC Lin­den­berg mit sein­er A‑Jugend näch­stes Jahr wahrschein­lich mit ein­er anderen Mannschaft eine Spiel­ge­mein­schaft grün­den, oder aufgelöst wer­den muss. 

Damit geht es dem FCL wie vie­len anderen Vere­inen auch. Es gibt immer weniger Ehre­namtliche in den Sportvere­inen. Das gilt eben­falls für die drei anderen Sportvere­ine in Lin­den­berg. Sowohl der Ten­nis­club, der Turn­vere­in und der Turn­er­spiel­mannszug haben alle ähn­lichen Prob­leme wie der FCL.

Deshalb gibt es auch immer öfter Fusio­nen oder gar Auflö­sun­gen. Aber nicht nur weil bei vie­len Vere­inen auch Mit­glieder fehlen, son­dern vor allem weil die Ehre­namtlichen an allen Eck­en und Enden aus­bleiben. „Die Lage wird immer kri­tis­ch­er“, sagt Peter Schu­bert von der Zivilge­sellschaft in Zahlen (ZiviZ). Und das, obwohl ger­ade der Sport noch zu den pos­i­tiv­en Beispie­len gehört. „Ehre­namtliche in den Feldern Kul­tur, Bil­dung oder auch bei der Feuer­wehr sind noch schw­er­er zu find­en.“ Das liege vor allem daran, dass es Sport und Musik schon seit Jahrzehn­ten in jedem Dorf gebe. „Deshalb sehen wir auch hier die wenig­sten Prob­leme.“ Trotz­dem ist die Lage anges­pan­nt und wird auch nicht bess­er. Beson­ders prob­lema­tisch sei das für die Gesellschaft, denn wie wichtig Sportvere­ine über­haupt sind, sei vie­len nicht klar. „Da ist es egal, ob du im Gym­na­si­um oder auf der Mit­telschule bist, ob du Christ oder Mus­lim bist.“ Beim Sport seien alle gle­ich.

Während er die Anweisun­gen für das Spiel erk­lärte, waren die Spiel­er an den Handys. Kein­er kam mehr ins Train­ing und wenn doch, dann nur um die Bälle durch die Gegend zu bolzen. Über knapp 13 Jahre war Elvis Telesklav Train­er beim FC Lin­den­berg. 13 Jahre lang begleit­ete er seinen Sohn von der F‑Jugend, also den fast jüng­sten Kick­ern bis hin zur A‑Jugend. Jet­zt war für den 43-jähri­gen aber Schluss. Und das vor allem weil die Unter­stützung vom Vere­in fehlte. Im let­zten Jahr über­nahm Telesklav näm­lich nicht nur die A- son­dern auch die B‑Jugend. Heißt: Dien­stag, Mittwoch, Don­ner­stag und Fre­itag Train­ing leit­en. Sam­stag und Son­ntag am Spielfel­drand ste­hen. Daneben noch eine Fam­i­lie und einen Job. „Ich habe manche Spiel­er öfter gese­hen als meine Frau“, sagt er. Und der Vere­in? Kon­nte ihm nie­man­den zur Hil­fe stellen. Dabei hat­te ihm das Train­er­amt immer Spaß gemacht, betont Telesklav. „Ich habe die Jungs echt lang mit­be­gleit­et. Du siehst sie aufwach­sen, das baut ein­fach eine Bindung auf.“ Aber sich jede Woche mit 20 Jugendlichen rumzuschla­gen, das wurde auf Dauer zu ner­ven­z­er­reißend. „Ich hat­te keine Pause mehr. Mein Leben bestand nur noch aus Fußball und Arbeit­en.“ Stattdessen nutzt er seine Freizeit jet­zt für Fahrrad­touren, Spaziergänge und Zeit mit der Fam­i­lie und dem Hund. 

Neue Hob­bys ent­deck­en oder die Freizeit für Fam­i­lie und Haus nutzen wollen: Das sind typ­is­che Gründe, warum es immer weniger Ehre­namtliche gibt. Auch Coro­na hat dabei einen Ein­fluss gehabt. „Viele haben natür­lich gemerkt: Hop­pla, es gibt auch was anderes als mein Ehre­namt und das macht auch richtig Spaß“, sagt Peter Schu­bert von der ZiviZ. Weit­ere Gründe seien, dass die Men­schen immer öfter umziehen und so keine langfristige Bindung zum Vere­in einge­hen. Und es gebe eine Verän­derung der Gesellschaft, die immer weniger Inter­esse daran hat, Ver­ant­wor­tung zu übernehmen. 

Das kann auch Dotschkail bestäti­gen. „Ver­ant­wor­tung für etwas Langfristiges zu übernehmen, das war früher gar kein The­ma“ sagt der Vor­stand­vor­sitzende des FCL. Für ein­ma­lige Auf­gaben wie das Grillen bei Fes­ten gebe es immer noch genug Frei­willige, „aber wenn es dann mal über das eine Mal hin­aus­ge­ht, hat jed­er immer eine Ausrede parat.“ Was für den FCL erschw­erend hinzukommt, sind die vie­len Ange­bote, die es in der Stadt im Ver­gle­ich zum Dorf gibt. „Wenn es nur Musik oder Sport gibt, gehst du zwangsläu­fig da hin.“ Bei den vie­len Ange­boten, die es in ein­er Stadt wie Lin­den­berg mit­tler­weile gibt, nehmen sich die Vere­ine die Mit­glieder selb­st weg.

Über elf Jahre war Ker­stin Hör­rauf eine der Ehre­namtlichen, die man als Frau für alles beze­ich­net. Sie küm­merte sich beim FCL um die Home­page, war stel­lvertre­tende Jugendlei­t­erin und sprang auch als Trainer­in ein, wenn Not am Mann war. Solange, bis ihr Mann 2019 vom dama­li­gen Vor­stand aus dem Vere­in „geekelt“ wurde und damit auch ihre Zeit erst­mal vor­bei war. „Ich war dann lang nicht mehr auf dem Sport­platz, das Tis­chtuch war zer­schnit­ten.“ Aber als sie sich dann vor knapp einem Jahr erst­mals wieder auf den Sport­platz wagte, wurde sie von vie­len bekan­nten Gesichtern fre­undlichst emp­fan­gen. „Das sind ja alles lang meine Fre­unde gewe­sen und mit denen habe ich mich auch immer gut ver­standen.“ Ein Ehre­namt wieder zu übernehmen, schien damals aber noch undenkbar. Bis vor weni­gen Wochen der Anruf kam. „Der Dotschkail hat mich angerufen und gefragt, ob ich wieder was machen würde“, sagt die 59-jährige. Eine Rück­kehr wird es aber erst­mal nicht geben. Und wenn doch, dann nicht mehr so viel wie früher. „Man hat gel­ernt, dass es auch ein Leben außer­halb vom Fußball gibt.“ Radeln, Wan­dern, Baden – das sind nur ein paar der Hob­bys denen Hör­rauf mit­tler­weile nachge­ht und die sie auch nicht mehr aufgeben will. 

„Eine Vor­stand­schaft ist wie eine Fußball­mannschaft, da müssen alle zusam­me­nar­beit­en, son­st kommt nix bei raus“, sagt Dotschkail. Dass es zu Rei­bungspunk­ten kommt, sei klar, aber der­art ausarten, dass Ehre­namtliche keine Lust mehr auf das Amt haben, dürfe es nie. Denn Ehre­namtliche sind rar gesät und die Weni­gen, die man noch habe, dürfe man nicht ver­graulen. Ins­ge­samt fehlen aber für die Ver­wal­tungsauf­gaben nicht wirk­lich viele Ehre­namtliche. „Da sieht es jet­zt aktuell ganz gut aus“, sagt Dotschkail. Was fehlt sind die Train­er. 

Dabei ist Bay­ern, was die Ehre­namtlichen ange­ht, im bun­desweit­en Ver­gle­ich sog­ar noch vorne mit dabei. „Wir sind Top-Drei in Deutsch­land“, sagt Jörg Ammon, Präsi­dent des Bay­erischen Sportver­ban­des. Ger­ade in den Vor­stand­spo­si­tio­nen bleiben die Men­schen durch­schnit­tlich länger. Trotz­dem sieht auch er die neg­a­tive Entwick­lung. „Für ein­ma­lige Sachen oder Großereignisse wie die EM ist die Bere­itschaft immer noch sehr groß, aber wenn es um etwas Langfristiges geht, schreck­en die meis­ten zurück.“ Aber was kann man als Vere­in tun? „Die Erwartung­shal­tung muss sinken“, sagt Ammon. Die Vere­ine müssten finanzielle Anreize schaf­fen und die Anerken­nung steigern. Entschädi­gun­gen, Erle­ichterun­gen oder höhere Pauschalen seien vorstell­bar. Ger­ade auch den Jun­gen muss eine Per­spek­tive geboten wer­den. „Es sind meis­tens einge­fahrene Struk­turen im Vere­in, aber man muss offen für Neues sein.“ Noch gebe es genug Junge die auch Lust hät­ten anzu­pack­en. „Aber oft bes­tim­men Alte Her­ren den Großteil, wer neu dazukommt muss sich erst­mal beweisen.“

Und wie sieht das beim FC Lin­den­berg aus? Ger­ade beim The­ma Train­er­suche plant der Vere­in für näch­stes Jahr einiges. Schu­lun­gen, Aus­bil­dun­gen und Tankgutscheine, sollen erste Anreize sein. „Wir haben ja einige ehe­ma­lige Spiel­er, die Inter­esse hät­ten eine Train­er­aus­bil­dung zu machen“, sagt Dotschkail. Deshalb will der FCL die Train­er­grun­daus­bil­dung des DFB näch­stes Jahr in Lin­den­berg organ­isieren. Damit zumin­d­est bei den Train­ern in Zukun­ft keine Ehre­namtlichen fehlen. 

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