Zwischen Slalomstangen und Schuhe binden. Karl Krautwurst ist seit mehr als vier Jahrzehnten ehrenamtlicher Fußballtrainer. Doch davon gibt es immer weniger.
Es ist viertel vor drei, als Karl „Charly“ Krautwurst (71) die Grundschulhalle in Lindenberg mit zwei Toren unter den Armen betritt. Noch ist niemand da. Also kann Krautwurst in Ruhe alles vorbereiten und aufbauen.

„Hi Charly“. Der 6‑jährige Fynn rennt auf Krautwurst zu und gibt ihm die Hand. Nach und nach kommen auch die anderen Kinder der Bambini-Jugend in die Halle. Die meisten verabschieden sich noch kurz von den Eltern und sprinten dann rüber zu den Bällen. „Hey“, ruft Krautwurst. Die Kinder schauen ihn mit großen Augen an. „Erst Hallo sagen, dann Bälle holen“, sagt Krautwurst. Nach und nach gibt ihm ein Kind nach dem anderen die Hand.
15 Uhr, alle Kinder sind da und das letzte Training vor den Weihnachtsferien kann starten. Heute sind es nur acht Kinder. Normalerweise sind in der Bambini-Jugend immer zwischen 20 und 30 Kindern. Auch deshalb ist Krautwurst froh, über jede Unterstützung, die er bekommen kann. Für diese Saison hat er zwei Väter organisiert, die ihm im Training helfen.
Seit 42 Jahren ist Krautwurst ehrenamtlicher Trainer beim FC Lindenberg. Damit ist er ein Unikat. Denn ehrenamtliche Trainer gibt es immer weniger. Und solche, die über mehrere Jahrzehnte dabei sind, sind umso seltener. Krautwurst hat in seinen Jahren schon so gut wie alle Jugenden trainiert, am meisten Spaß hat er aber mit den jüngsten Kindern, den Bambinis.

Krautwurst den Ball auf den Boden wirft, müssen die Kinder springen.
Zum Aufwärmen hat Krautwurst eine Koordinationsübung für die Kinder mitgebracht. Alle stellen sich in einen Kreis auf. Krautwurst hat einen Ball in der Hand. Immer wenn er den Ball jetzt auf den Boden wirft, müssen die Kinder in die Hände klatschen. Manchmal täuscht er den Wurf allerdings nur an. Wer dann trotzdem klatscht, ist raus. Nach mehreren Runden steht der Gewinner fest: Matteo klatscht in die Hände und ein breites Grinsen schmückt sein Gesicht. Dann bekommen auch die Kinder einen Ball. Sie sollen versuchen den Ball mit möglichst viel Gefühl zu kicken, sodass er im mittleren Kreis liegen bleibt. Nevio schafft es als erstes, dann kickt aber Szymon seinen Ball mit dem letzten Versuch aus dem Kreis.
Die nächste Übung: Krautwurst hat mehrere Hütchen in zwei Reihen nebeneinander aufgebaut; auf der gegenüberliegenden Seite stehen die beiden kleinen Tore. Die Kinder teilen sich auf die beiden Reihen auf. Sie sollen durch die Hütchen dribbeln und dann den Ball in die Tore schießen. „Beide Füße benutzen“, sagt Krautwurst zu den Kindern.


Kurze Zeit später stehen die Kinder in einem Kreis um Krautwurst herum. Hütchen in vier verschiedenen Farben sind in einem Rechteck angeordnet. Jedem Kind drückt Krautwurst jetzt ein Laibchen in die Hand. Die Laibchen haben die gleichen Farben wie die Hütchen. Die Kinder rennen so lange um Krautwurst herum, bis der “Hopp” ruft. Dann sollen die Kinder die Laibchen auf den Boden werfen, sich ein anderes schnappen und so schnell wie möglich zu dem Hütchen rennen müssen, das die gleiche Farbe wie das Laibchen hat.
Nevio und Matteo schnaufen. Krautwurst tätschelt ihnen die Schulter. „Ja, ganz schön anstrengend, oder?“, fragt er die beiden. Die beiden nicken nur. Als kurze Verschnaufpause dürfen die Kinder jetzt den Ball jonglieren. Krautwurst macht es ihnen vor und lässt den Ball auf seinem Fuß tänzeln.

Vor seiner Trainerkarriere war Krautwurst auch selbst Spieler und hat dabei sogar in der Landesliga gespielt, also der siebthöchsten Spielklasse. Aktuell spielt der FC Lindenberg zwei Ligen darunter, in der Kreisliga.

Bevor das Abschlussspiel beginnt, wartet noch eine Übung auf die Kinder. Krautwurst kniet sich neben eines der Tore, die er vorhin aufgebaut hatte. In der linken, oberen Ecke des Tores ist ein kleines gelbes Netz. „So, es gibt einen Punkt für jedes Tor und zwei Punkte für einen Treffer in das kleine gelbe Netz“, erklärt Krautwurst den Kindern. Wenn ein Kind das Tor nicht trifft, ist es allerding raus. „Deshalb gut überlegen, ob ihr auf die Ecke zielen wollt“, sagt Krautwurst. Die Kinder schauen ihn mit großen Augen an und stellen sich gut drei Meter vor dem Tor auf. Kurze Zeit später steht nur noch Szymon in der Linie. Er hat immer auf das Tor gezielt und getroffen. „Schaut, ihr müsst nicht immer den schwierigen Weg probieren. Man kann auch gewinnen, wenn man die einfachen Sachen gut macht“, erklärt Krautwurst den Kindern. Nevio und Matteo nicken mit dem Kopf.
Jetzt sind alle Übungen vorbei und die Kinder dürfen frei spielen. „Charly, Charly“. Nevio rennt auf seinen Trainer zu. „Kannst du mir die Schuhe binden?“. Krautwurst grinst, kniet sich auf den Boden und bindet Nevio die Schuhe. Den Kindern das zurückzugeben, was man selber als kleines Kind von den Trainern bekommen hat, das ist sein großes Ziel.

Umso trauriger ist es für Krautwurst, dass es so wenige Ehrenamtliche gibt. Keiner sei mehr bereit Zeit zu investieren, um den Kindern die Glücksgefühle zu geben, die man selbst in seiner Jugendzeit hatte.

Eine halbe Stunde später. Die Kinder hocken auf der Bank, alle schnaufen tief durch. Das Spiel und somit auch das Training sind vorbei. „So, wir sehen uns erst nach den Ferien wieder“, sagt Krautwurst. „Ohh“, stöhnen die Kinder. „Ja ich weiß, ihr liebt Fußball, aber jetzt tut euch eine kleine Pause auch mal gut. Und bald ist ja schon wieder Hallenturnier.“ Die Kinder schauen ihn mit großen Augen an. Pas wackelt auf der Bank vor und zurück. „Ciro, willst du da auch mitspielen am Wochenende?“, fragt Krautwurst eines der Kinder jetzt direkt. Der nickt mit dem Kopf. „Super, dann bist du da auch dabei. Dann wünsch ich euch jetzt Allen schöne Ferien und bis bald“. Die Kinder springen auf, klatschen mit Krautwurst ab und rennen dann raus aus der Halle zu ihren Eltern.
Ob er die 50 Jahre Jugendtrainer noch vollmacht? „Meinen Enkel noch zu trainieren, das würde ich sehr gerne machen“, sagt Krautwurst. Der ist ein Jahr alt, also werden es noch mindestens 3 Jahre, in denen Krautwurst seinen Kindern und dem Verein erhalten bleibt.
Krautwurst ist jetzt wieder allein in der Halle. Er räumt die Bälle, Hütchen und Laibchen in den Raum und sperrt ab. Dann klappt er die kleinen Tore zusammen, klemmt sie sich unter den Arm und läuft aus der Halle raus.
