Spaß und Einsamkeit
Einkaufsbus Ingolstadt
Von Viola Köhl
Spaß, Rabattgutscheine und Kaffee — all das kann man im Einkaufsbus Ingolstadt für SeniorInnen erleben. Ein Angebot gegen Einsamkeit im Alter und für mehr Hilfsbereitschaft und Gesellschaft.
Marianne Menrad (83) kneift die Augen zu, die kurzen Haare fallen ihr in die Stirn. Die ältere Frau starrt angestrengt auf ihr Handy, ihre Finger wuseln über das Display. Sie hockt auf einem der Holzstühle im Stadtteiltreff Konradviertel in Ingolstadt, neben ihr ruht ein leerer Einkaufsbeutel. Ihre Augen huschen immer wieder zur breiten Glasfassade, fixieren kurz die gegenüberliegende Straßenecke. Das Handydisplay zeigt gerade 9:30 Uhr. Ein weißer Kleinbus schießt um die Ecke, kommt quietschend auf dem Parkplatz des Stadtteiltreffs zum Halt. Menrad springt auf, schnappt sich ihren Einkaufsbeutel und eilt zur Begrüßung des älteren Mannes, der sich gerade aus dem Fahrersitz schält. Seinen Kopf ziert ein brauner markanter Hut, er lächelt warm, als er ihr Gepäck entgegennimmt.

Anton Amann
Der 74-Jährige ist einer der Fahrer des Einkaufsbusses in Ingolstadt — ein ehrenamtliches Angebot der Malteser — und fährt diesen nun schon seit gut einem halben Jahr.
In Ingolstadt gibt es das Konzept erst seit April 2023, in Eichstätt schon ein wenig länger. Mit dem Kleinbus holen die Ehrenamtlichen die Seniorinnen und Senioren ab und fahren mit ihnen zu Supermärkten und weiteren Läden. Die Fahrer und die Einkaufsbegleiter helfen ihnen beim Einkaufen und leisten hinterher bei Kaffee und Kuchen Gesellschaft.
Die Einkaufsbegleiterin der heutigen Tour ist Martina Uschakow (53), sie hilft Menrad in den Bus hinein. Der Motor brummt von neuem und “Toni” — wie Amann genannt werden möchte — chauffiert sie zu ihrem nächsten Halt: dem Wohnblock von Eva Weigl (74). Sie steigt mit der Hilfe von Toni und Uschakow zu, es folgen weitere Zwischenhalte, bei denen Marie Braun (85) und Erika Rajnai (84) in den Bus klettern.

in den Bus. Diese wurde gerade von daheim abgeholt.


“Eigentlich treffen sich alle am Stadtteiltreff Konradviertel”, sagt Menrad, “aber Personen, die nicht mehr gut zu Fuß sind, werden abgeholt.” Auch würden sich die genauen Ziele des Einkaufsbusses bei jeder Tour unterscheiden und während der Fahrt spontan entschieden. “Letztes Mal hat jemand Briefmarken gebraucht, da sind wir dann wohin gefahren, wo es die gibt”, sagt Toni. Heute wedelt er mit ein paar Zettelchen in der Hand nach hinten zu den Frauen. “Ich hab ein paar Rabattgutscheine für Edeka, wenn ihr da hinwollt.” Die Frauen nicken begeistert.
Toni steuert den Bus zum Parkplatz von Edeka Flanderl und die Frauen schnappen sich Einkaufswägen und Rabattgutscheine. Uschakow begleitet sie in das Geschäft hinein, Toni schmeißt nochmal den Motor des Busses an und fegt vom Parkplatz. Sein nächstes Ziel: Rezepte abholen beim Arzt, um sie bei der Apotheke einzulösen. Das habe sich heute so ergeben, normalerweise laufe er immer mit durch die Läden.
Fahrer und Einkaufsbegleiter fahren immer im Tandem beim Einkaufsbus Ingolstadt — und unterstützen beim Einkaufen.
Toni engagiert sich nicht nur für den Einkaufsbus, sondern holt auch ehrenamtlich Medikamente von der Stadtapotheke ab und fährt sie zu Menschen, die nicht mehr mobil sind. Zudem geht er auch Einkaufen für Menschen, die das nicht mehr können. Die Langeweile treibe ihn dabei an, denn diese “könne er nicht leiden”. Er sei Rentner “von Beruf” und wurde über eine Anzeige auf das Ehrenamt des Ingolstädter Einkaufsbusses aufmerksam. Ein passender Zeitvertreib, war er früher schon als Fahrzeugauslieferer für Audi tätig.
Nach dem Ausfahren der Medikamente kommt er circa 12 Uhr wieder bei Edeka Flanderl an, die Frauen haben ihre Einkaufstour bereits beendet und sich zum Kaffee und Kuchen ins integrierte Café begeben. Die Einkaufswägen mit den Einkäufen haben sie neben dem Tisch platziert. “Zum Abschluss gibt es immer Kaffee und Kuchen”, sagt Toni. Sie plaudern miteinander, Menrad zeigt Uschakow Fotos auf ihrem Handy.
Kontakte knüpfen beim Kaffeekränzchen
Warum die Frauen den Einkaufsbus nutzen? “Wegen der guten Betreuung und der Zuverlässigkeit”, sagt Weigl. Menrad nickt. “Und dass man das Zeug nicht schleppen muss bis an die Haustür.” Menrad sei schon seit dem ersten Tag der Einführung des Busses in Ingolstadt dabei, Weigls Schwiegertochter habe sie durch eine Anzeige in der Zeitung auf das Angebot aufmerksam gemacht.
“Die Damen haben sich über den Bus kennengelernt, weil sie nah zusammen wohnen und schauen aufeinander.”
Martina Uschakow
Nach der Kaffeerunde verstaut Toni die Einkäufe im Bus, die Frauen vergleichen noch kurz die Schnäppchen, die sie ergattert haben.



Jede von ihnen bekommt eine Heimfahrt bis zur Haustür. Gerade bringen er und Uschakow Braun und ihre Einkäufe in ihre Wohnung, der Rest der Mitfahrerinnen verweilt im Bus. “Was hat das so lang gedauert? Hast du sie jetzt ins Bett gebracht?” Menrad und Weigl kichern Toni entgegen, der sich wieder hinters Steuer schwingt. Er bringt den Rest seiner Einkaufsrunde heim und beendet seine Tour gegen 14 Uhr.
Für Toni sei der Ingolstädter Einkaufsbus nicht nur ein Fahrdienst, sondern auch die Möglichkeit Gesellschaft zu bieten und Hilfsbereitschaft zu zeigen, zum Beispiel wenn jemand umkippen würde oder nicht mehr könne. “Ich habe meinen Mädels meine Visitenkarte gegeben, damit ich immer da sein kann.” Und am Ende des Tages mache er es immer noch “wegen der guten Stimmung und dem Spaß an der Freude.”
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