
Generationencafe´
Lieber gemeinsam als einsam

Bingo und Shampoo
Ochsenfeld – Die kleinen Holzkugeln klackern im Metallrad. „Bingo!“, ruft eine Frau mittleren Alters mit braunen, glatten Haaren und schlägt mit der Hand auf den Tisch. Ihr Ehemann und die restlichen Menschen im Raum zucken zusammen und schreien auf. Danach kurz Stille. Die Frau sieht sichtlich erschrocken aus und klatscht sich eine Hand vor den Mund. Dann fängt sie an zu lachen. Nach einem ersten Schock beginnen auch die anderen Menschen im Raum zu lachen. „Das war ja ein sehr überzeugtes Bingo“, sagt Anke Thiede, Vorsitzende des Krankenpflegevereins Ochsenfeld/Biesenhard lachend und reicht der Frau ihren Preis: Eine Shampooflasche.


“Spiele früher und heute”
Dieses sogenannte Generationencafé ist nun schon das vierte, das im Ochsenfelder Pfarrheim stattfindet. Das Thema des Treffs dieses Mal: „Spiele früher und heute“. Alte, neue, bekannte und selbstgebaute Spiele stehen und liegen auf einem Tisch im vorderen Teil des Raumes. Mit Projekten wie diesem Generationentreff, der mehrmals im Jahr stattfindet oder auch Ausflügen, versucht der Krankenpflegeverein junge und ältere Menschen im Dorf wieder zusammenzubringen. „Ich bin hier, um den Zeitgeist zu stärken. Viele Jugendliche haben immer weniger Lust, sich mit älteren Menschen zu beschäftigen“, sagt Mark (18). Auch Daniel (17) ist gekommen. Er möchte wissen, „welche Spiele die älteren Menschen so kennen.“ Für sie verlieren die jungen Menschen immer mehr den Kontakt zu den Älteren. Hilfreich sei das für Niemanden.
Doch erst seit ein paar Jahren und durch Projekte wie das Generationencafé, blüht der Verein hier im Dorf wieder auf. „Mir war es wichtig, etwas für die Menschen vor Ort und die Gemeinde zu tun“, sagt Thiede. Noch vor ein paar Jahren „hat man sich immer mal wieder zum Kaffeetrinken getroffen“, doch nun gebe es Aktionen wie das Generationencafé, bei dem Menschen unterschiedlichen Alters zusammenkommen können und für alle etwas „dabei ist“, denn jedes Treffen hat ein anderes Thema. Vergangene Generationencafés im Dorf hatten Themen wie die virtuelle Realität oder auch Sicherheit im Internet im Mittelpunkt. Also sei es auch für die jüngeren Generationen interessant. Der Krankenpflegeverein versucht somit, auch älteren Menschen die digitale Welt näher zu bringen und vor digitalen Trickbetrügern zu schützen. „Keine leichte Aufgabe“, findet Anke Thiede, doch sie ist sehr froh darüber, dass Experten zu ihnen kommen und Vorträge zu solchen Themen halten. Anderswo haben ältere Menschen diese Möglichkeiten nicht.
Mehr zum Krankenpflegeverein gibt’s hier.

Gemeinsam gegen Einsamkeit


Ein anderes Problem auf dem Land: Es gebe in den Dörfern immer mehr ältere Menschen, die vereinsamen. Ihre Kinder ziehen weg, leben in großen Städten und kommen seltener zu Besuch. Es ziehe die Menschen immer mehr in die größeren Städte und die Bevölkerung auf dem Land, gerate etwas in Vergessenheit.
Diesem Vereinsamen, will der Krankenpflegeverein vorbeugen und entgegenwirken. „Das ist für die Menschen so, dass sie noch einmal Gemeinschaft erleben können. Als Teil einer Gemeinschaft ist es auch leichter in Krisensituationen, die auftreten könnten“, sagt Thiede. Und diese Krisensituationen können sehr plötzlich eintreten. „Es braucht Menschen, die auf einen schauen. Hat man einen Unfall bei sich zuhause, kann das sehr lange dauern, bis man gefunden wird“, betont Thiede bestimmt.
Frühlingsstimmung
Die warmen Sonnenstrahlen des Nachmittags fallen durch die großen Fensterscheiben des Ochsenfelder Pfarrheims und tauchen das Zimmer in ein goldenes Licht. Die rosa-farbenen, orangenen und schwarz-weiß gemusterten Kuchen auf dem Tisch neben dem Eingang leuchten ebenfalls im Schein der Sonne. Durch den ganzen Raum zieht der Geruch von frisch gekochtem Kaffee und Gebäck. Gelbe und rote Primeln zieren die beiden Tischtafeln, die der Vorstand des Krankenpflegevereins im Raum aufgebaut hat. Alle Kuchen haben sie selbst gebacken. Da stecken viel Mühe und Arbeit drin. Aber die Mitglieder des Vereins machen es immer wieder gerne.



Für dieses Generationencafé hat sich der Vorstand des Vereins zudem eine besondere Struktur ausgedacht. Die ersten Spiele werden die rund 20 Gäste zusammen spielen. Ein digitales Spiel, gefolgt von Bingo. Später können sie sich dann selbst aussuchen, was sie spielen wollen. Im Repertoire hat Thiede Mensch-ärgere-dich-nicht, ein selbstgebautes Spiel, Uno und noch viele mehr. Einige Menschen haben auch selbst Spiele mitgebracht. Los geht es mit „Bilderraten“. Anke Thiede steht vorne im Raum und klickt auf ihrem Laptop nach und nach Teile des Bildschirms an, der mit jedem neuen Klick mehr vom Bild preisgibt. „Rauhaardackel! Da bin ich mir sicher! Mir hat mal einer in die Nase gebissen!“, ruft ein Mann mit grauen Haaren.
Eine ältere Frau mit kurzen weißen Haaren, hat ein Spiel dabei, das sie selbst noch gar nicht kennt. Sie habe es bei sich zuhause in einer Schublade gefunden und wollte es gleich mit hier her nehmen. „Auch dafür ist das Treffen hier toll. Die Jüngeren können den Älteren Spiele erklären, die sie gar nicht kennen und umgekehrt“, sagt Thiede.
„Je mehr man Spiele im Alter spielt, desto mehr bleibt das Hirn intakt“, sagt sie. „Vor allem sind die Spiele hier für alle Altersgruppen und manchmal soll man doch auch wieder Kind sein.“ Für jeden sei etwas dabei. Manche Spiele sind zum Denken da, bei anderen geht es um Schnelligkeit. Oder man muss lediglich würfeln. Da könne man sich auf sein Glück verlassen.



Individuelle Spielephase
Stuhlbeine schleifen über den rot gepflasterten Steinboden, als die Menschen aufstehen, um sich in kleinen Gruppen zusammenzufinden. Wer mit wem spielt, scheint egal. Die Gruppen sind ganz bunt gemischt. Eltern, Rentner, Kinder, Geschwister, sie alle spielen zusammen. Bald schon hört man aufgeregtes Murmeln und Würfel klappern auf den Tischen. Freudige Rufe, wenn jemand gewinnt, enttäuschtes Stöhnen, wenn die Würfel nicht die Zahlen zeigen, die sich der Spieler wünscht.
Die Menschen, die hier sind, unterstützen den Krankenpflegeverein alle aus ähnlichen Gründen. „Ich bekomme dadurch Hilfe, wenn ich krank werden sollte und der Verein hat bei den Treffen immer sehr interessante Themen“, sagt Elfriede (80). Auch Klaudia (58) ist Mitglied im Verein. „Durch meinen Beruf als Krankenschwester, bin ich immer schon sozial eingestellt. Ich finde es außerdem gut, die Caritas zu unterstützen“, sagt sie. „Wir freuen uns immer über neue, junge Gesichter.“
Nach und nach werden die Spiele zum Schluss wieder abgebaut und in ihre Schachteln zurückgelegt. Um den Nachmittag in Ruhe ausklingen zu lassen, wollen die meisten heute noch eine Runde spazieren gehen. Klaudia lächelt. „Man geht mit einem guten Gefühl nach Hause. Dem Gefühl, dass alles passt.“